Wer betrunken Auto fährt und einen Unfall verursacht, riskiert mehr als den Führerschein. Die Vollkaskoversicherung kann in solchen Fällen sogar die komplette Leistung verweigern – trotz bestehendem Versicherungsschutz. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Möglichkeit erstmals auf Basis der seit 2008 geltenden Rechtslage.
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Verursacht ein Fahrer unter Alkoholeinfluss einen Unfall, kann die Vollkaskoversicherung die Leistung vollständig verweigern. Der BGH sieht dies bei grober Fahrlässigkeit als rechtens an – etwa bei absoluter Fahruntüchtigkeit ab 1,1 Promille. Einzelfallumstände wie Schuldunfähigkeit müssen jedoch berücksichtigt werden.
Der Fall: Unfall nach Rockkonzert mit 2,7 Promille
Ein 25-jähriger Autofahrer war nach dem Besuch eines Rockkonzerts auf dem Heimweg und prallte mit seinem Fahrzeug gegen einen Laternenmast. Der Sachschaden belief sich auf über 6.000 Euro. Die Versicherung verweigerte die Zahlung – der Mann hatte 2,7 Promille Blutalkohol.
Der Versicherungsnehmer klagte auf Erstattung, doch das Oberlandesgericht Dresden wies seine Klage ab. Der Fall landete vor dem Bundesgerichtshof (BGH), der eine neue Verhandlung forderte. Begründung: Es sei nicht geprüft worden, ob der Mann zum Unfallzeitpunkt schuldunfähig war.
BGH: Leistungskürzung bis auf Null ist möglich
Mit dem seit 2008 geltenden § 81 Abs. 2 VVG darf die Versicherung bei grober Fahrlässigkeit die Leistung **anteilig kürzen** – oder sogar vollständig verweigern, wenn die Schwere des Verschuldens dies rechtfertigt.
Der BGH betonte: Eine vollständige Kürzung auf 0 % sei rechtlich zulässig, wenn absolute Fahruntüchtigkeit vorliegt – in der Regel bei einem Promillewert von 1,1 oder höher. Im vorliegenden Fall war der Mann nicht nur alkoholisiert, sondern offenbar kaum noch zurechnungsfähig – laut eigener Aussage und laut Polizeibericht habe er weder das Anfahren noch den Unfall bewusst wahrgenommen.
Schuldunfähigkeit kann Leistungspflicht begründen
Entscheidend ist laut BGH nicht allein der Promillewert, sondern die konkrete Zurechnungsfähigkeit im Unfallzeitpunkt. Wer beispielsweise nachweislich schuldunfähig ist, kann nicht als „grob fahrlässig“ gelten – in solchen Fällen entfällt die Kürzungsmöglichkeit der Versicherung.
Im Revisionsverfahren wurde daher angeordnet, dass das OLG Dresden diese Frage sorgfältig neu bewerten muss. Die Feststellung der Schuldunfähigkeit könnte bedeuten, dass dem Kläger trotz Trunkenheitsfahrt ein Anspruch auf Leistungen aus der Vollkasko zusteht.
Fazit für Versicherte
Bei Trunkenheit am Steuer gilt grundsätzlich: Wer einen Unfall grob fahrlässig verursacht, riskiert den Versicherungsschutz. Versicherer dürfen ihre Leistung im Einzelfall auf null kürzen – etwa bei Fahrten mit hoher Blutalkoholkonzentration.
Allerdings muss geprüft werden, ob der Fahrer im Unfallmoment überhaupt zurechnungsfähig war. Eine Schuldunfähigkeit kann den Kaskoschutz unter Umständen retten – sie entzieht dem Versicherer die Kürzungsbefugnis.
Urteilsangabe
BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 – Az. IV ZR 225/10