KAMEI Tuning - Chronik
1939 Karl Meier, schon 1939 Konstrukteur bei VW
"Wir bestätigen die mit Ihnen geführten Verhandlungen, nach denen wir bereit sind, Sie als Konstrukteur für Innenausstattung mit einem monatlichen Gehalt von RM 430.– brutto und einer Probezeit von drei Monaten per 1. März 1939 einzustellen." Dieses Schriftstück erhielt KAMEI-Gründer Karl Meier am 13. Februar 1939 vom Volkswagenwerk. Von der Pike auf hatte der gebürtige Saarländer das Kfz-Handwerk erlernt und sich bald auf Karosseriebau spezialisiert. Doch dann verlagerte er sein Interesse mehr auf den Bereich des Interieurs und der Falt-verdecke. Seine Wanderjahre verbrachte er u.a. bei dem Schweizer Autoveredler Gigax und dem renommierten Karosseriebauer Spohn in Ravensburg. 1936 landete er bei Opel, wirkte an der Innenausstattung des ersten Kadett mit und befreite diesen vom letzten Stück Holz.
Meier, inzwischen zum Konstrukteur avanciert, gehörte zum Kreis der Auserwählten für die "Gesellschaft zur Vorbereitung des deutschen Volkswagens". Hinter diesem Projekt stand Ferdinand Porsche. Karl wechselte von Rüsselsheim in die Stadt des KdF.-Wagens – heute Wolfsburg – und bekam die VW-Einstellungs-Nummer 12. Neben vielen Verbesserungs-vorschlägen, die im Februar 1945 noch mit Geld, danach mit einer Schachtel Zigaretten belohnt wurden, entwickelte er den legendären Schwimmwagen Typ 166 mit.
1949 Polsterarbeiten in einer Baracke
Unzufrieden über seine Karriereaussichten unter der neuen Militärführung des Volkswagenwerkes, tat sich der von Ideen sprühende Karl Meier mit Heinrich Schwen zusammen. Schwen, einige Jahre Schulungsleiter bei Volkswagen, baute aus Alt- und Neuteilen Nutzfahrzeuge und sogar ein Coupé auf VW-Basis zusammen. Karl konstruierte und baute fleißig mit. Das Coupé, von dem nur zwei Exemplare gefertigt wurden, erhielt von Meier sogenannte "Körperform-Sitze", die im Prinzip heute noch verwendet werden. Auch Rennwagen auf VW-Basis, genannt "Tatzelwurm", Urahn der späteren Formel Vau, entstanden hier – alles in Handarbeit! Als Schwen in der Währungsreform strauchelte und Volkswagen ihn nicht mehr vor der Tür duldete, machte sich Karl Meier in einer Holzbaracke aus dem Schwen-Nachlass selbständig.
In dieser "Werkstatt", deren Erstausstattung aus einer Nähmaschine, einigen VW-Sitzgarnituren, Kleinteilen und viel krummen Nägeln bestand, begann Karl mit einem Startkapital von 50-Noch-Reichsmark. Bald vergrößerte eine ausgebrannte Halle den Betrieb, in dem Meier zunächst sämtliche Funktionen vom Firmenchef bis zum Polsterer in Personalunion vereinigt hatte. Schon früh wurden seine Söhne Klaus und Uwe integriert. Klaus musste nach Schulschluss gebrauchte Sitzgestelle streichen. Da das Stoffmuster "Pfeffer und Salz" aufgebraucht werden musste, wurde es auch für die Schulbekleidung der Söhne zurechtgeschneidert. Weil die aufgepäppelten Sitze begehrt waren, kam Meier die Idee, Schonbezüge zu nähen und auch nähen zu lassen. In kurzer Zeit konnten pro Tag 15 Volkswagen von 30 Näherinnen bezogen werden.
Meiers Idee fand schnell industrielle Nachahmer, die in größeren Stückzahlen und kostengünstiger fertigten. Die Familie stellte die Nähmaschinen in die Ecke, und Karl tüftelte neue Produkte für das Volkswagen-Interieur aus. Sie waren derart erfolgreich, dass sie teilweise in die Käfer-Serie – Beispiel: Gaspedal statt Rolle – einflossen, oder in der heutigen Automobilproduktion fester Bestandteil sind.
1952 KAMEI: Aus "Schlummerrollen" werden Sicherheits-Kopfstützen
1952 war es amtlich: Gründung von KAMEI (KArl MEIer) als Hersteller von sinnvollem Autozubehör, vorerst nur im Interieur-Bereich. Mit seinen Sitzbezügen hatte er begonnen, mit Ablagen aller Art, Kofferraumabdeckungen, Halterungen für Hüte, Stützen für sämtliche Gliedmaßen, verstellbare Sitze (das entsprechende Patent stammt von Meier) und sogar einer Blumenvase samt Halterung machte er Käfer-Innenausstattungs-Furore. Seine berühmte "Schlummerrolle" stieß auf Kritik. Sie würde die Müdigkeit des Autofahrers fördern, hieß es. Meiers Antwort fiel kurz und bündig aus: "Ein Autofahrer muss es bequem und komfortabel haben, umso entspannter kann er sich auf den Verkehr konzentrieren. Außerdem schützen sie das Genick. Diesen Sicherheitsaspekt verfolgte Meier sofort weiter und bot als erster Hersteller Sicherheits-Kopfstützen an, die heute in jedem Neuwagen der Welt obligatorisch sind.
Längst hatte Kamei den Barackenrahmen gesprengt und sich in einer alten Fensterrahmen-Fabrik eingenistet. In diesem "Auto-Ideen-Schmiede", so Karls jüngerer Sohn Uwe, entstanden bis 1978 erstaunliche Produkte, die oftmals Tuning-Geschichte schrieben.
1953 "Tiefensteuer" von KAMEI:1953 Ur-Spoiler Premiere
In den letzten Kriegstagen bei Volkswagen war Karl Meier auch mit dem Flugzeugbau in Berührung gekommen, denn im Auftrag von Junkers musste das Werk Tragflächen bauen. Hierbei beschäftigte sich Meier – wenn auch nur am Rande – ein wenig mit dem Thema Aerodynamik. Wie sich später herausstellen sollte, prägten diese Kenntnisse den Erfolg von KAMEI mit. Meier, der sich über die Hecklastigkeit des VW-"Käfers" und das unruhige Fahrverhalten besonders bei Geschwindigkeiten um 100 km/h – damals viel "Holz" – ärgerte, sorgte für Abhilfe. Er konstruierte ein "Tiefensteuer". Dieses aerodynamische Hilfsmittel nennt man heute Spoiler.
Um das "Tiefensteuer" zu testen und auch seine Interieur-Auto-Extras ins richtige Licht zu rücken, fuhr Karl Meier zum Genfer Salon 1953. Da ihm die Salon-Portale mangels der fürs Entree nötigen Finanzen verschlossen blieben, deklarierte er kurzerhand einige Quadratmeter am Straßenrand vor dem Salon zu seinem Freigelände. Weil er seine Zeitgenossen nicht von den Vorteilen dieses aus Spannten und Aluhaut gefertigten Gerätes überzeugen konnte, wanderte der Ur-Spoiler vorerst in die "Klamottenkiste". 25 Jahre später waren Spoiler nicht mehr wegzudenken und in höheren Geschwindigkeitsbereichen unerlässlich. Von Anfang an gehörte KAMEI zu den bedeutendsten Spoiler-Herstellern.
1955 Fußmatten- und -stützen – alles schon dagewesen
Bereits in den 50er Jahren gehörten Fußmatten für alle Fahrzeugbereiche und Fußstützen für den Kupplungsfuß zum KAMEI-Programm. 1955 bot KAMEI für den "Käfer" die ersten Liegesitze an. Gegen Wetterunbilden – wer besaß schon eine Garage – empfahl Meier eine Schutzhaube fürs Dach und den Fensterbereich des VW. Viel oder sperriges Gepäck , das die Enge des Fahrzeuges nicht aufnehmen konnte, verbannte der Pragmatiker aufs Wagendach. Dafür hatte er eigens eine flatterfreie Schutzhülle mit Gepäckträger – den Vorgänger der heutigen Dachbox – konstruiert.
Um seine Produkte auf ihre Resonanz beim "Fachpublikum" zu testen, schickte Karl Meier seine Söhne mit Produkt-Infos auf die Parkplätze der VW-Werksangehörigen. Diese Scheibenwischer-Botschaften verfehlten die erwünschte Wirkung nicht. War dann auch eine entsprechende Nachfrage da, konnte man getrost fertigen.
1964 "Avus": Erfolgreichste Lenkradhülle der Welt von KAMEI
Hinter dem Volant kam Karl Meier so manche gute Idee zum Thema "automobiler Komfort". Die Lenkräder der fünfziger und sechziger Jahre, nicht gerade griffig, übertrugen Vibrationen, fühlten sich im Winter nackt und kalt an und ermüdeten die Handmuskeln. Zunächst schaffte KAMEI Abhilfe mit einem plastisch in der Hand liegenden Lenkradschoner aus Porotherm, einem atmungsaktiven Schaumkunstleder. Aus diesen, in sechs Farben erhältlichen Lenkradschonern entstanden die Lenkradhüllen "Avus" und Avus Super". Mit Wickelband und Fädelstäbchen traten diese Lenkradhüllen ihren weltweiten Siegeszug an. Ob Rennfahrer, Rock‘n‘Roll-Größen oder Filmstars, sie liebten diesen neuen Lenkrad-Komfort mit unzähligen Poren und 972 Löchern für den Luftaustausch genauso wie Taxichauffeure und Alltags-Automobilisten rund um den Globus. Insgesamt wurde dieses auch in den USA, in Großbritannien und auf den Philippinen in Lizenz gefertigte Produkt über 100 Millionen Mal und ist damit mit Abstand die erfolgreichste Lenkradhülle der Welt. Noch heute ist sie Teil des KAMEI-Sortiments und wird ergänzt durch die schwarze lederbeschichtete Lenkradhülle "Route 66". Der richtige "Grip", besonders auf langen Fahrten!
1966 Ein Laden in Berlin und ein Werk in Wittlich
In bester City-Lage direkt am Kurfürstendamm eröffnete KAMEI 1966 einen Laden für die Auto-Komfort-Produkte aus eigener Fertigung und weitere Accessoires rund ums Automobil. Dieser frühe Tuning-Shop war seinerzeit eine Attraktion. Um der großen Nachfrage nach der Avus-Lenkradhülle gerecht zu werden, errichtete KAMEI 1971 ein Zweigwerk in Wittlich an der Mosel. Waren in Wolfsburg bereits 130 Arbeitskräfte beschäftigt, kamen jetzt 50 neue Arbeitsplätze hinzu. Außer den Lenkradhüllen war in Wittlich auch die Fertigung von Nackenstützen und Schalensitzen vorgesehen. Beim Sitzkomfort hatte Karl Meier einmal mehr Pionierarbeit geleistet.
Der Nackenstütze folgte die Sicherheitskopfstütze SK 2000 mit längerem Rückenteil und stufenlosen Verstellmöglichkeiten durch starke Gurtbänder. Im November 1973 wurde sie in Holland an der TNO (Instituut voor Wegtransport-middelen), Delft, ausgiebigen dynamischen Tests unterzogen. Ein entscheidender Beitrag für die Sicherheit von Fahrzeuginsassen.
Die Söhne Klaus und Uwe waren inzwischen in die Firmenleitung fest integriert, wobei sich Klaus um die Produktion kümmerte, und Uwe den Vertrieb in die Hand genommen hatte. KAMEI florierte derart, dass die Avus in den USA in Lizenz gefertigt wurde. Bald zierte die Avus sogar Platten-Cover, Beispiel: Donna Summers "bad girls". Good News für KAMEI! Bis 1980 stieg der AVUS-Absatz auf 20 Millionen verkaufter Exemplare, ein Hit.
1972 Vom Interieur zum Exterieur – Spoiler gehen in Serie
Rund 20 Jahre nach der persönlichen Präsentation des ersten Käfer-Spoilers durch Karl Meier in Genf 1953 führte die Verwendung von aerodynamischen Hilfsmitteln im Motorport auch zu einer Nachfrage für Straßen-Fahrzeuge. Diese kam zunächst aus dem motorsportbegeistertem Freundeskreis, und so wurde ein Kunststoff-Derivat in Serie genommen. 1972 überraschte KAMEI mit einem gelungenen Frontspoiler für den VW Käfer. Bald darauf folgten weitere Modelle, beispielsweise für den Opel Ascona A, den VW Passat und natürlich für den Golf I. Auch wenn man bei den Marken diversifizierte, genoss der VW-Konzern in der KAMEI-Produktpalette stets Priorität. Der Schritt vom Interieur auch zum Exterieur vollzog sich derart vehement, dass KAMEI aus allen Nähten platzte.
1975 Keke, Kern und KAMEI
1975 sorgte ein Doppeldecker-Bus in den Fahrerlagern für Aufsehen. Er diente dem Formel-V-1600-Team von Uwe´s Moden, Kern und Kamei als mobiles Hauptquartier. Zu den Fahrern gehörten "Poldi" von Bayern und ein gewisser Keke Rosberg. Der "fliegende" Finne fuhr die Konkurrenz in Grund und Boden, gewann die ONS-Meisterschaft und sicherte sich auch die Castrol-GTX-Trophy. Der Bayern-Prinz hielt KAMEI viele Jahre die Treue, und in Kekes Weltmeister-Jahr 1982 prangten beim Großen Preis von Deutschland auf Helm und Overall ebenfalls die "beschwingten" KAMEI-Schriftzüge.
1982 war wohl die sportlichste KAMEI-Saison. Zu den insgesamt 127 von KAMEI unterstützten Fahrern/Fahrzeugen gehörten der damalige Senkrechtstarter Stefan Bellof, die Schnitzer-BMW M1 von Hans Stuck und "Poldi" und mehrere Tourenwagen in deutschen Meisterschaften, der Tourenwagen-EM, diversen Ostblock-Meisterschaften und auch auf harten Rallye-Pfaden.
Auch am Overall des amerikanischen TV- und Filmstars Kent McCord prangte die KAMEI-Schwinge, denn schließlich waren alle Wagen des Bilstein-Bosch-Rabbit-Cups der USA mit KAMEI-Spoilern ausgerüstet – wie übrigens auch der Schweizer Golf-Cup.
Unverwechselbar wie Ende der 70er Jahre der KAMEI-Renn-Golf waren 1983 die von KAMEI und Gilden Kölsch gesponserten Eichberg-Capri. "Capriolen" für KAMEI machten neben den Stammfahrern Helmut Döring und Dieter Gartmann auch Rallye-Weltmeister Ari Vatanen, Klaus Ludwig, Klaus Niedzwiedz, Harald Grohs und beim 24-Stunden-Rennen der unvergessene Manfred Winkelhock zusammen mit Norbert Haug, heute Mercedes-Sportchef.
Warum betrieb KAMEI derart aktiv Motorsport: Kaum eine andere Sportart ist Medium für Werbe-Botschaften so gut geeignet, und außerdem wird der Motorsport assoziiert mit Begriffen wie Dynamik, Technik, Sportlichkeit, Jugendlichkeit, Präzision und Zuverlässigkeit. Diese Begriffe passten damals auf KAMEI als einer der führenden Spoiler-Hersteller der Welt. Dass KAMEI auch heute noch – wenngleich in bescheidenerem Umfang – im Motorsport präsent ist, ist also kein Zufall.
1976 Neues Werk in WOB und zentrale Verwaltung in WI
Das 1976 die zentrale Verwaltung des expandierenden Unternehmens nach Wiesbaden übersiedelte, lag an der verkehrsgünstigen Lage, besonders hinsichtlich des Frankfurter Flughafens als Tor zur Welt. Schließlich wurden KAMEI-Produkte mittlerweile in 40 Länder exportiert. Aber auch die Produktion orientierte sich am Auftragsvolumen, und so entstand 1977 ein neues KAMEI-Werk im Gewerbegebiet von Wolfsburg-Vorsfelde. Dieser Neubau auf damals noch "grüner Wiese" beherbergte von Anfang an modernste, größtenteils computergesteuerte Fertigungsanlagen. Weil auch in den USA die "Spoileritis" ausgebrochen war, wuchs in North Haven, Connecticut eine KAMEI-Produktionsstätte für die Bedürfnisse des nordamerikanischen Marktes heran. Gut eine Dekade später wurde die US-Fertigung aber wieder eingestellt. Viele KAMEI-Nachrüst-Produkte zum Wohle des Autofahrers flossen in die Serien-Produktion ein. Anatomisch geformte Sitze mit Kopfstützen finden wir heute in jedem Auto: Damit wurde dann auch das Wittlicher Werk – als Erstausrüster viel zu klein – überflüssig.
1981 Aerodynamik ist stets Trumpf
Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts hatte KAMEI sein Front- und Heckspoiler-Programm auf viele Marken ausgedehnt. Alle KAMEI-Spoiler wurden eingehenden Windkanal-Versuchen bei VW – und teilweise auch bei Daimler-Benz – unterzogen. Sportlichkeit und Energiebewusstsein prägten die Entwicklung. Hatte man bislang den Motorsport nur als Werbeträger benutzt, so wurden 1981 auch Renn-Tourenwagen optimiert. Bei den von KAMEI unterstützten Audi-Coupés konnte der Luftwiderstands-Beiwert um sieben Prozent gesenkt und der Auftrieb an der Vorderachse um 38 Prozent verringert werden. Die gewonnenen Erfahrungen flossen auch in das Straßen-Spoiler-Tuning ein. Dieses Beispiel dokumentiert, wie in jenen Jahren die Serie noch von intensivem Motorsport-Engagement befruchtet wurde.
1982 X1-Programm findet weltweites Interesse
Früh hatte sich KAMEI auf der IAA in Frankfurt etabliert, den Schritt auf den noblen Genfer Salon wagte man 1982. Das neue X1-Programm, basierend auf Scirocco, Golf und Polo, in Perleffekt-Weiss auf einem weissen Teppich präsentiert, stieß auf große internationale Resonanz. Auch in den Jahren danach fanden die X1-Bausätze für das Audi-Coupé, den 3er-BMW, den Ford Escort und den Opel Kadett großen Anklang. Die Serienfahrzeuge ließen damals noch genügend Nischen für so intensives optisches und aerodynamisches Tuning. Die erste und zweite Golf-Generation waren besonders dankbar für das X1-Programm, das natürlich auch Motoren- und Fahrwerksspezialisten animierte. Für den Senior Karl Meier, der im ersten X1-Jahr seinen 75. Geburtstag feierte, war es eine Freude, denn Spaß am Auto war sein Lebensinhalt.
1985 KAMEI und die Entwicklung elastischen Lackes
Zur KAMEI-X1-Optik der achtziger Jahre gehörten Ausstellungs-Fahrzeuge, die auch farblich Trends setzten. Durch die enge Zusammenarbeit mit Becker Design in Nieder-Olm entstanden außergewöhnliche Perleffekt-Lackierungen mit mehreren Schichten Klarlack.
Bald kam KAMEI mit einem Anforderungsprofil, das für die Lackindustrie neu war. Alle Teile, die aus Sicherheitsgründen nachgeben mussten und deswegen aus PU oder ähnlich flexiblen Materialien gefertigt werden mussten, ließen sich bis dato nicht lackieren. Und wer es versuchte, wunderte sich, dass der Lack bald wieder ab war.
Zusammen mit Stefan Becker besuchte KAMEI-Geschäftsführer Uwe Meier-Andrae das Glasurit-Labor in Münster-Hiltrup. Die Bitte an die Lacktechniker bestand aus einem Satz: "Wir wollen einen Lack, den man problemlos biegen kann." Dieser Denkanstoß beschäftigte das Labor sechs Monate lang – mit Erfolg! Am Heckspoiler und den Windsplits eines Audi Quattro Coupé wurden Biegeversuche bis zum "Erbrechen" gemacht. Keine Risse im Lack, und so demonstrierte KAMEI bei der darauffolgenden IAA und anderen internationalen Messen die Haltbarkeit mit einem Gerät, auf dem ein lackierter KAMEI-PU-Spoiler stundenlang ständig um 15° nach links und rechts verdreht wurde.
In eine andere Richtung lief bei KAMEI die Entwicklung eines besonders schlagzähen und lange haltbaren ABS-Materials. So entstand DUROKAM, denn hohe Qualitätsnormen verlangen ständig nach Weiterentwicklung.
1986 KAMEI-Multicar – Denkanstöße für die Autoindustrie
Ende der achtziger Jahre stellte KAMEI auf Basis des Opel Kadett E Caravan ein vielfach verwandelbares Auto vor: Hardtop-Combi, Pick-up, Lieferwagen und Cabrio in einem Wagen. Heutige SUV sind dagegen einfallslos. Mit diesem Konzept sollte eine ganz neue Käuferschicht angesprochen werden. Rationales, Praktisches und Erschwingliches für Alltag, Beruf, Freizeit und Sport: Diese Komponenten, die KAMEI im Auftrag des Rüsselsheimer Werkes herstellen wollte, gingen nie in Serie. Es fehlte das "OK" vom Marketing.
Das Multicar-Konzept offerierte KAMEI bis 1992 in mehreren Varianten verschiedenen Autoherstellern. Stets ging großes Interesse voran, doch letztlich scheiterte es an zu hohen Entwicklungs- und Produktionskosten oder den unüberwindbaren vorbehalten der jeweiligen Marketingstrategen. 1989 hatte KAMEI das deutsch-japanische Gemeinschafts-Projekt VW Taro noch vor Markteinführung in einer Version präsentiert, die auf dem VW-Stand der Hannover-Messe, auf der IAA und dem Caravan-Salon gezeigt wurde. Zuspruch bei Handel und Publikum: Gewaltig! Der geringe Absatz des Basis-Fahrzeuges ließ es jedoch ratsam erscheinen, von größeren Werkzeug-Investitionen Abstand zu nehmen. Tatsache ist, dass Details des Multicar-Konzeptes bis über die Jahrtausendgrenze hinaus da und dort in die Serie einflossen – besonders bei den SUV und SAV der jüngsten Modell-Generationen.
1988 Neue Projekte und ein schmerzhafter Verlust
Vorbereitungen für den Genfer Salon 1988, auf dem neben dem Multicar auch ein Passat X1 präsentiert werden sollte: Mitten in diese hektische Phase, in die auch noch die Schnürung des Paketes KAIMEI France fiel, entschlief am 28. Januar Karl Meier, der 80jährige Firmengründer. Sein erfolgreiches Schaffen fortzusetzen, war für KAMEI Verpflichtung und Herausforderung zugleich.
KAMEI France führte sich mit dem Corrado X1 auf dem Auto-Salon in Paris bestens ein. Intensive Kontakte mit Chrysler führten zu der Vorstellung eine Executive-Konzeptes für die Minivans des US-Konzerns. Im Sport-Marketing-Mix konnte Kurt König mit dem KAMEI-Crew-BMW als bester Privat-Fahrer der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft überzeugen, schließlich rangierten vier der Meister der fünf vorangegangenen Jahre hinter ihm.
Ein Projekt-Auftrag von Karmann, in weniger als 90 Tagen einen Roadster auf Basis des Golf-Cabrio zu entwickeln, wurde mit einer termingerechten Präsentation erfolgreich abgeschlossen. Das Konzept eines VW-Bus-Executive stieß bei VW auf Neugier. 1990 präsentierte KAMEI auf der Trans 2000, Hannover, die exklusive Innenausstattung für den damals neuen Caravelle. KAMEI wurde offizieller Ausstatter und bekam den "besten Testfahrer": den VW-Vorstandsvorsitzenden Dr. Carl Hahn. Eine Sonderserie des Audi 80 strahlte KAMEI- Design-Komponenten aus. Weitere Highlights 1988: Musical "Cats" auf dem KAMEI-Stand der Automechanika und viele neue Produkte. Das erfolgreich begonnene Dachboxen-Programm wurde um die Sportbox erweitert. Aufgrund des günstigen Preis-Leistungs-Verhältnisses und des aerodynamisch gelungenen Designs erntete sie in einem großen Auto-Zeitung-Vergleichstest die Bewertung "sehr empfehlenswert", Ansporn für KAMEI, weitere Boxenmodelle folgen zu lassen.
1989 Jahre des Umbruchs
1989 deutet sich ein Wandel im Verbraucher-Verhalten beim optischen Tuning an. Aerodynamisch hatten die Serienfahrzeuge keine Schwachstellen mehr. Spoiler und X1-Bausätze zum Nachrüsten wichen einem neuen Zeitgeist mit verlagerten Wünschen. In den Drang zur Individualisierung mischten sich auch umweltorientiertes Denken und praktische Aspekte, die dem KAMEI-Dachkoffer-Programm so viele Impulse gaben, dass es trotz des Zusammenschlusses von Jetbag und Thule 1991 auch heute noch floriert.
Fröhliche Urständ feierten die Avus-Lenkradhüllen in den USA. Mitte 1990 kamen sie unter dem Motto "Go Hollywood" in sechs Popfarben auf den US-Markt und sorgten für eine Reaktivierung dieses traditionellen Umsatzträgers. Turbulent ging es auch in Willy Bogners Film "Fire, Ice & Dynamite" zu. Das Ausstattungs-Paket des von KAMEI gestellte Dynamite-Golf in diesem Action-Streifen wurde in einer Kleinserie von 82 Bausätzen nachbestellt.
1992 erfolgte die Konzentration der Produktion auf den Standort Wolfsburg, zusätzliche Handelsprodukte wurden ins Programm aufgenommen, und mit der Space-Box erschien kurz vor Weihnachten ein Produkt, das "Auto-Bild" als vorbildlich beurteilte.
1994 Generationswechsel, neue Verwaltung und Modernisierung
1994 erfolgte der Übertrag von Geschäftsanteilen von Klaus Meier auf seinen Sohn Thomas Meier, der Mitte des Jahres Mitgesellschafter des Unternehmens wurde und die Position seines Vater in Wolfsburg sukzessive bis zum Oktober 1998 übernahm. 1994 zog die zentrale Verwaltung innerhalb Wiesbadens um. KAMEI hatte ein dreistöckiges Geschäftshaus in der Stiftsstraße gekauft. Auch im Export tat sich etwas: In Argentinien, Brasilien, Mexiko, Hong Kong, Korea und Südafrika wurden neue Partner gefunden. 1995 dehnte sich das Fernost-Geschäft auf China aus.
Mit einer neuen vollautomatischen Vacuum-Tiefziehmaschine wurde 1996 die Produktion in Wolfsburg weiter modernisiert und rationalisiert. Für das wachsende Boxengeschäft entstand eine neue Lagerhalle, die für die neue Boxen-Serie "Delphin" dringend benötigt wurde. Bereits 1998 hatte sie 74 Prozent des gesamten Boxenumsatzes erzielt und wurde sogar auf der Auto-Show in Moskau präsentiert. Die bei KAMEI von Anfang an gesetzten Qualitätsmaßstäbe rückten 1998 mit der Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 in eine neue Dimension.
1998 KAMEI-New Beetle und KAMEI-Beetster
Bereits auf der Automechanika 1998 hatte KAMEI unter dem Motto "Tradition mit Zukunft" am Beispiel des New Beetle Car-Styling im Retrodesign demonstriert, nur ein kleiner Vorgeschmack auf den Beetster, der auf der IAA 1999 und der Essener Motorshow vom Publikum und den Medien regelrecht umringt war.
Dieser sportliche, fahrfähige Prototyp eines Fun-Cars mit Überrollbügeln, Anbauteilen aus durchgefärbten DUROKAM, Lederschalensitzen und spiegelglanz-veredelten BBS-Alurädern, erfuhr noch eine Steigerungsform.
Dass der Fahrspaß auch mit diesem aus Mexiko stammenden VW bei KAMEI keine Grenzen kennt, zeigte man 2001 in Essen mit dem Beetster II. Dieser zweisitzige Roadster besitzt eine neuartige, von der Dekra statisch und dynamisch getestete seitliche Bügelkonstruktion, die gleichzeitig als Schienen für die Persenning dient. Ein "feuerrotes Spielmobil" zum Verlieben, wie so manchen weiblichen Kommentaren zu entnehmen war!
1999 Produktvielfalt & Diversifizierung
Sportgrills und Scheinwerferblenden waren bereits 1999 Renner im KAMEI-Programm. Bis 2003 steigerte sich das Angebot von 29 Typen Sportgrills auf 36, und das Blenden-Sortiment wuchs von 71 Typen auf 92. Nicht minder beliebt sind Heckscheiben- und Auspuff-Blenden. Heckflügel mit integrierter Bremsleuchte für Stufenheck-Fahrzeuge – KAMEI offeriert diese für 30 Automarken – sind wieder im Kommen. Nur die großen Frontspoiler mussten dezenteren Lösungen wie kleinen Front-Flaps und Spoiler-Ecken weichen.
Griffmuscheln, Decor-Leisten und Spiegelkappen sind ebenso gefragt wie individuelle Schaltknäufe. Auto-Extras aller Art, vom Windschott für Cabrios über Sitzkissen, Mittelkonsolen, Türschalen gehören traditionell zu KAMEI. Dazu kommt noch der Vertrieb des umfangreichen Innenraum-Programms von Fischer. Kleine Reminiszenz an den Ur-Käfer Karl Meiers: Die Auto-Blumenvase, jetzt aus bruchfestem Acrylglas. Die Rose ist Bestandteil des Lieferumfangs.
Das Dachboxen-Programm mit Dachträger-Systemen und Fahrradhaltern wird ergänzt von Maßtaschen-Sets, Skihalter-Einsätzen und Wandhalterungen für die Garage. KAMEI Automotive steht für Kleinserien und Sonderanfertigungen wie Stauboxen für Nutzfahrzeuge, Transport-, Produktions- und Aufbewahrungshilfen, Werkstückträger sowie Zusatzausstattungen für Notarztwagen und Polizeifahrzeuge. Durchdacht bis in kleinste Details wie Pistolentaschen oder Gasflaschenbehälter ist auch der Dachaufsatz für Blaulicht-Blitzbalken. Nicht für die Automobilindustrie, aber gefragt von Kommunen und Wasserwerken sind die stabilen Hydrantenkappen-Einsätze von KAMEI.
2004 Premium-Tuning für Touareg, Golf V und Co. und die Rückkehr nach Wolfsburg
Die zunehmende automobile Konformität veranlasste KAMEI, sich strategisch neu auszurichten und noch mehr Individualismus Rechnung zu tragen. Neben den traditionellen Produktionsfeldern gründete man bereits 2003 in Wolfsburg den Bereich KAMEI X1, der sich die Komplett-Veredelung von VW und Audi Automobilen auf die Fahnen geschrieben hat und so an das erfolgreiche Tuning-Programm aus den 80er Jahren anknüpft. Als erster Spross dieser neuen Sparte entstand der KAMEI Touareg DAKAR, der als V10 TDI mit seinen auf 355 PS (230kW) und 860 Nm Drehmoment quasi das Zugpferd der neuen KAMEI X1-Linie darstellt. Auf der Essen Motor Show zeigte KAMEI noch im gleichen Jahr die viel beachteten X1-Version des Golf V und des Audi A3. Im Marketing war 2003 zudem ein Generationssprung zu verzeichnen: Mitgesellschafter Uwe Meier-Andrae übergab diesen Aufgaben-Bereich dem ältesten Sohn Marian.
Die Bedeutung des Standortes Wolfsburg unterstreicht die Tatsache, dass ab 2004 auch die Zentrale Verwaltung, die von 1976 bis zum 2003 in Wiesbaden residiert hatte, in der Auto-Stadt arbeitet. Vom einstigen "Zonengrenz-Randgebiet" war Wolfsburg nach der Wiedervereinigung in die Mitte Deutschlands gerückt: Anbindung an die Ost-West-Achse A2 und das ICE-Netz. Der Standort des größten Automobilwerkes Europas und des KAMEI-Werkes gewinnt zunehmend an Attraktivität. KAMEI zog daraus die logische Konsequenz, die alle Aktivitäten in "WOB" zu bündeln.
Das Gebäude der ehemaligen Wiesbadener Zentrale bleibt in Firmenbesitz. Ein "Kontakt-Büro Rhein-Main" sowie der Werksverkauf von Produkten aus der Wolfsburger Produktion werden weiterhin in den Räumlichkeiten der Wiesbadener Stiftstrasse zu finden sein. Denkbar ist mittelfristig auch die Errichtung eines weiteren Tuning-Centers.
Die dritte Generation der Firmenleitung, Thomas Meier und Marian Meier-Andrae, gewichtet zwar Tradition und Innovation gleichermaßen, gibt sich aber generell äußerst zukunftsorientiert. Für sie ist gibt es auf automobiles Einerlei nur eine passende Antwort: Vielfalt im Tuning-Sektor.
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