Was Autos wirklich schlucken
Die realitätsfremden Verbrauchsangaben der Hersteller
Zwar weiß es jeder, doch verstehen tun es die wenigsten. Unsere Autos verbrauchen viel mehr als vom Hersteller versprochen. Oft liegen Welten zwischen den Herstellerangaben und dem tatsächlichen Spritverbrauch im Alltag und laut einer Studie wächst dieser Unterschied immer weiter.
Noch 2001 lag der tatsächlich gemessene Mehrverbrauch bei zehn Prozent. Inzwischen sind es bereits 25 Prozent.
Doch woran liegt das? Wir klären auf:
Die Autohersteller sind verpflichtet diverse Informationen zu Ihren Produkten (Fahrzeugen) genau anzugeben, darunter auch der Verbrauch. Nun wird sich der ein oder andere fragen, warum dürfen uns die Hersteller dann so belügen? Die Antwort ist einfach, tun sie nicht! Rechtlich gesehen kann von Lüge oder gar Betrug keine Rede sein.
Seit 1996 werden mit der Einführung der einheitlichen europäischen Abgasvorschriften die Fahrzeugemissionen auf Basis dieses einheitlichen Fahrzyklus bestimmt. Die Hersteller sind verpflichtet, auf Basis des NEFZ (Neue Europäischen Fahrzyklus) Angaben über den durchschnittlichen Verbrauch ihres Pkw zu machen. Kurz gesagt: Die Verfahren, mit denen die Hersteller auf ihre viel zu niedrigen Verbräuche kommen, sind genormt und haben mit unserem täglichen Fahrverhalten nur sehr wenig zu tun.
Die Tricks der Autohersteller beim Verbrauchstest
Fakt ist: Kein neues Auto, dessen Verbrauchsermittlung bevorstand, hat je eine Straße gesehen. Der sogenannte EU-Normzyklus wird auf einem Rollenprüfstand absolviert und dauert nicht einmal 20 Minuten. Simuliert wird mittels festgelegter Beschleunigungs-, Brems- und Standphasen die Fahrt durch Stadtverkehr oder über Land.
Um bei solch einen Verbrauchstest nun möglichst niedrige Werte zu erreichen und um ein neues sogenanntes EU-Spritsparmodelle zu erschaffen, wird gerne mal in die Trickkiste gegriffen:
Der hierbei nur 20-minütige Test findet auf einem klimatisierten (optimierter Umgebungstemperatur) Prüfstand statt und die Höchstgeschwindigkeit im Testzyklus beträgt 120 km/h, und dies auch nur für wenige Sekunden. Und um das Ergebnis im Sinne der Hersteller perfekt zu machen, bleiben sämtliche Verbraucher wie Licht, Heizung oder Klimaanlage abgeschaltet. Ja, selbst die Batterie wird oftmals extra vor dem Testbeginn voll aufgeladen, um die Lichtmaschine zu entlasten oder man koppelt für den Test den spritfressenden Stromgenerator vom Motor ab.
Auch wird nicht selten vor Fahrtantritt jedes überflüssige Gewicht im Fahrzeug entfernt, spezielle Leichtlauföle werden eingefüllt und die ebenfalls eigens montierten Leichtlaufreifen stärker als empfohlen aufgepumpt, um den Rollwiderstand zu verringern. Manche Tester kleben sogar sämtliche Karosseriefugen und den Kühlergrill mit Klebeband ab, um die Aerodynamik zu verbessern. Auch Fahrwerk und Bremsen werden beim Testkandidaten für möglichst geringen Verbrauch optimiert.
Selbst ein Eingriff in die Motorsteuerung, um einen besonders sparsamen Betrieb zu erzwingen, ist legal.
Die EU-Komission schätzt, dass etwa ein Drittel der Verbrauchssenkungen, die Hersteller auf dem Papier zwischen 2002 und 2010 erreicht haben, allein durch diesen trickreichen Umgang mit den Testverfahren erzielt werden konnten.
Hierbei sollte man aber ebenfalls bedenken, dass diese irreführende Werte auch den CO2 Ausstoß verfälschen und somit dem Staat enorme Steuereinnahmen entziehen.
Wie unabhängig sind solche Labortests?
Zwar werden die Labortests von einem unabhängigen Institut durchgeführt, jedoch wird dieses vom Autohersteller engagiert und auch bezahlt. Hiermit dürfte nun jedem klar sein, dass dieser Umstand, die Bereitschaft die Lücken in der Prüfungsordnung gewissenhaft auszunutzen, durchaus groß sein dürfte.
Verhandlungen über eine neue Methode
Das 1996 eingeführte und im Jahr 2000 überarbeitete Messverfahren ist hoffnungslos veraltet und hat mit unserem täglichen Fahrverhalten nur sehr wenig zu tun.
Kein Wunder also, dass nicht nur das ICCT, sondern fast alle Tests erhebliche Diskrepanzen zwischen Norm- und Alltagsverbrauch zutage fördern. Selbst die Autohersteller räumen das Problem ein, weisen jedoch darauf hin, dass der NEFZ-Test lediglich einen Wert ermittle, der die Energieeffizienz aller Autos miteinander vergleichbar mache. Mehr könne er auch nicht leisten.
Die Umweltschutzorganisation setzt sich vor diesem Hintergrund für eine umfassende Änderung der Test-Prozedur ein. Zunächst müsse das genormte Verfahren insgesamt realitätsnäher werden, zudem sei das Schließen von Schlupflöchern sowie eine stärkere Kontrolle der Ergebnisse nötig.
Verbraucht ein Neuwagen zu viel, kann man sich durchaus wehren
Schätzungsweise die Hälfte der in Deutschland verkauften Neuwagen könnte von ihren Besitzern an die Hersteller zurückgegeben werden. Denn laut Rechtsprechung kann man, wenn ein Auto nachweislich mehr als zehn Prozent mehr verbraucht, als der Hersteller angibt, den Autokaufvertrag bei einem Neuwagen anfechten. Voraussetzung dafür ist in aller Regel das Gutachten eines anerkannten Sachverständigen, der die besagte Verbrauchsdifferenz bestätigen muss.
Auch sei hierbei erwähnt, dass solch eine Auseinandersetzung unter Umständen lange, risikoreich und teuer werden kann.
So geht man vor, wenn ein Neuwagen deutlich zu viel verbraucht
- Den tatsächlichen Verbrauch ermitteln – hierbei sind die Angaben eines Bordcomputers nicht gerichtsrelevant.
- Den Mehrverbrauch reklamieren – liegt der Verbrauch deutlich über den Herstellerangaben, sollte man dies zunächst direkt bei beim Händler reklamieren. Hierbei wird das Fahrzeug meist gecheckt und neu eingestellt.
- Anwalt einschalten / Gutachten erstellen lassen – falls der Werkstattbesuch keine Wirkung zeigt
- Die Rückgabe verlangen – mit dem bestätigten Gutachten den Händler konfrontieren. Nach zwei erfolglosen Nachbesserungsversuchen, diesen zur Rücknahme des Autos auffordern.
- Der Gerichtsgang – bei Ablehnung der Rücknahme ist der nächste Schritt die Klage vor Gericht
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