Ein Unfall ist schon belastend genug – doch richtig ärgerlich wird es, wenn die Versicherung anschließend nicht zahlt. Besonders bei hohen Schadenssummen, etwa bei Berufsunfähigkeit oder teuren Fahrzeugschäden, verzögern manche Versicherer die Zahlung oder lehnen sie ganz ab. Was viele nicht wissen: Betroffene haben zahlreiche Möglichkeiten, sich zu wehren – von der richtigen Kommunikation bis zur Einschaltung unabhängiger Stellen.
To-do-Liste für Opfer zahlungsunwilliger Versicherer
Im Jahr 2015 gingen laut Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) rund 9.746 Beschwerden gegen Versicherer ein – davon allein 1.252 im Bereich Kfz-Versicherung. Bagatellschäden werden meist unkompliziert reguliert. Doch wenn es um hohe Summen geht, verschlechtern sich oft die Reaktionszeiten und die Bereitschaft zur Zahlung. Umso wichtiger ist es, gut vorbereitet zu sein – und seine Rechte zu kennen.
1. Hilfe durch Verbraucherschutzorganisationen
Viele Probleme entstehen durch Informationsdefizite. Verbraucherschützer helfen dabei, sich einen Überblick über die Rechte und Pflichten im Versicherungsverhältnis zu verschaffen – insbesondere bei strittigen Fällen oder schleppender Regulierung.
Diese Stellen bieten Unterstützung:
- Verbraucherzentrale – bietet Schadensfallberatung (meist kostenpflichtig)
- Bund der Versicherten e.V. (BdV) – berät und begleitet Verfahren mit grundsätzlicher Bedeutung
Auch die außergerichtliche Einigung mit der Versicherung kann über diese Stellen angestoßen werden – meist kostengünstig und mit Sachverstand.
2. Ehrlichkeit ist Pflicht
Ein häufiger Fehler: Versicherungsnehmer versuchen, durch geschönte Angaben die Chancen auf Regulierung zu erhöhen – ein gefährlicher Irrtum. Sachbearbeiter erkennen inkonsistente oder übertriebene Aussagen schnell. Der Verdacht auf Versicherungsbetrug kann zur kompletten Leistungsverweigerung führen.
Beispiel: Wenn Eltern behaupten, ihr Kind habe ein parkendes Auto beschädigt, obwohl sie es unbeaufsichtigt ließen, kann die Haftpflichtleistung entfallen – wegen falscher Angaben zum Unfallhergang.
Auch kleine Ungenauigkeiten können später als „arglistige Täuschung“ ausgelegt werden. Daher: immer bei der Wahrheit bleiben – selbst wenn der Schaden dann nicht optimal darstellbar scheint.
3. Richtig kommunizieren – früh und eindeutig
Viele Konflikte mit Versicherungen entstehen aus Missverständnissen oder Fristversäumnissen. Eine schnelle, vollständige Schadenmeldung ist essenziell – insbesondere bei Kaskofällen.
Wichtige Grundsätze:
- Unverzügliche Schadensmeldung – idealerweise am selben Tag
- Schadensminderungspflicht: z. B. Fenster abdichten, Fahrzeug sichern
- Fragen stellen: Muss ein Gutachten erstellt werden? Welche Werkstatt darf genutzt werden?
Wer frühzeitig alle Formalitäten klärt und dokumentiert, hat im Ernstfall die besseren Karten. Fehlende Kommunikation ist oft der Hauptgrund, warum Leistungen gekürzt oder verweigert werden.
4. Hartnäckig bleiben bei Verzögerung oder Ablehnung
Wenn sich die Bearbeitung verzögert oder die Zahlung verweigert wird, sollten Versicherte aktiv nachhaken. Wer alles korrekt gemeldet hat und dennoch auf Rückmeldung wartet, darf nicht einfach abwarten.
Empfohlene Schritte:
- Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Sachbearbeiter – am besten schriftlich
- Fehlende Unterlagen klären und ggf. nachreichen
- Erneute schriftliche Nachfrage bei Kürzung oder Ablehnung – mit Bitte um nachvollziehbare Begründung
Bleibt eine faire Regulierung aus, empfiehlt sich der Gang zur Geschäftsleitung. Auch eine anwaltliche Vertretung ist möglich – die Kosten übernimmt bei Fremdverschulden meist die gegnerische Haftpflicht.
5. Ombudsmann und Aufsichtsbehörde einschalten
Wenn eine Einigung mit dem Versicherer scheitert, bieten sich zwei zentrale Anlaufstellen:
- Ombudsmann – klärt Einzelfälle und unterbricht die Verjährung
- BaFin – prüft systematische Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben
Warum zuerst der Ombudsmann?
Die Entscheidung des Ombudsmanns ist bis 10.000 € bindend für den Versicherer – für Verbraucher aber nicht. Ein Beschwerdeverfahren ist kostenlos und meist innerhalb von 3 Monaten abgeschlossen. Die Verjährung wird währenddessen ausgesetzt, was wertvolle Zeit verschafft.
Für die Einreichung braucht es lediglich:
- Name, Anschrift und Versicherungsschein-Nummer
- Schilderung des Sachverhalts
- Kopien von Vertrag, Schriftwechsel, Schadennummer etc.
6. Beschwerde bei der BaFin
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) prüft, ob der Versicherer systematisch gegen Gesetze verstößt. Sie darf jedoch keine Einzelfallentscheidungen treffen, keine Gutachten erstellen und nicht in laufende Verfahren eingreifen.
Vorteil: Oft genügt schon das Einschreiten der BaFin, um Bewegung in festgefahrene Fälle zu bringen.
Vorgehen:
- Beschwerde per Brief, E-Mail oder Fax
- Angabe aller Kontaktdaten und des Sachverhalts
- Beifügung relevanter Unterlagen in Kopie
Die Rückmeldung erfolgt in der Regel innerhalb von 8 Wochen.
7. Der Gerichtsweg – letzte Instanz
Wenn alle außergerichtlichen Mittel ausgeschöpft sind, bleibt nur die Klage. Doch dieser Schritt will gut überlegt sein – insbesondere wegen des Prozessrisikos und der Kosten.
Empfehlung: Eine Verkehrsrechtsschutzversicherung ist Gold wert. Sie übernimmt je nach Vertrag:
- die Kosten des eigenen Anwalts
- gegebenenfalls die Kosten des gegnerischen Anwalts
- Gerichtskosten, Gutachter und Zeugenauslagen
Wer keine Rechtsschutzversicherung hat, sollte sich an einen Fachanwalt für Verkehrsrecht wenden. Dieser kann den Fall rechtlich sauber bewerten und realistische Erfolgschancen abschätzen.
8. Vorbeugen ist besser als streiten – Tipps vor dem Versicherungsabschluss
Viele Probleme mit Versicherungen lassen sich vermeiden, wenn der Vertrag von Anfang an zu den eigenen Bedürfnissen passt. Denn:
- Leistungsunterschiede zwischen Kfz-Versicherungen sind erheblich
- Nicht alle Tarife decken die gleichen Schäden ab
- Schadenregulierung hängt stark von den Bedingungen im Kleingedruckten ab
Wichtige Hinweise:
- Grobe Fahrlässigkeit sollte unbedingt mitversichert sein (z. B. beim Überfahren einer roten Ampel oder Sekundenschlaf)
- Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss sind grundsätzlich ausgeschlossen
- Auch medizinische Zwischenfälle wie ein Niesanfall können problematisch sein, wenn der Tarif keine Kulanz zeigt
Gerade bei Vollkasko ist zu prüfen, ob der Schutz bei Vandalismus, Fahrerflucht unbekannter Dritter oder Parkschäden greift – diese Leistungen sind nicht in jedem Tarif selbstverständlich.
9. Auf das Kleingedruckte achten – Vertragsbedingungen genau prüfen
Ein günstiger Preis ist kein Garant für eine faire Regulierung. Besonders bei Direktversicherern im Internet sind die Beiträge oft niedrig – doch entscheidend ist, was im Vertrag steht.
Unser Tipp: Nimm dir Zeit für den Vergleich und achte auf:
- klare und transparente Formulierungen
- gute Bewertungen zur Schadenregulierung (z. B. bei ADAC, Stiftung Warentest)
- keine Ausschlüsse für wichtige Schadensarten
Ein gut gewählter Versicherer kann im Ernstfall bares Geld wert sein – und hilft, rechtliche Auseinandersetzungen von vornherein zu vermeiden.
