Ein alltäglicher Vorfall mit weitreichenden Folgen: Beim Anfahren touchierte eine Autofahrerin eine Bordsteinkante. Dabei wurde der Kühler des Fahrzeugs beschädigt, Kühlflüssigkeit trat aus, und infolge dessen erlitt der Motor einen kapitalen Schaden. Die Fahrerin meldete den Vorfall ihrer Vollkaskoversicherung – doch diese verweigerte die Zahlung mit dem Hinweis auf einen angeblich nicht versicherten „Betriebsschaden“.
Was versteht man unter einem Betriebsschaden?
Versicherer stützen sich häufig auf die sogenannte Betriebsschadenklausel, um Leistungen zu verweigern. Demnach sind Schäden, die durch „Betrieb, Abnutzung, Ermüdung oder einen inneren Bruch“ entstehen, von der Leistungspflicht der Kasko ausgenommen. Der Hintergrund: Diese Schäden sollen nicht versichert sein, da sie nicht auf ein plötzliches, äußeres Ereignis zurückzuführen sind, sondern auf den normalen Verschleiß oder technische Mängel.
Rechtsprechung: Das OLG Koblenz stärkt die Versicherten
Im vorliegenden Fall urteilte das Oberlandesgericht Koblenz (Az. 12 U 1513/13) jedoch zu Gunsten der Autofahrerin: Die Kollision mit der Bordsteinkante sei als Unfall im Sinne der Vollkaskoversicherung zu werten – also als plötzliches, von außen einwirkendes Ereignis mit mechanischer Gewalt.
„Die Beschädigung eines Fahrzeugs durch das ungewollte Anfahren gegen einen festen Gegenstand stellt ein von außen her, plötzlich und mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis dar – somit ein Unfall.“
Das Gericht stellte außerdem klar, dass es keine Rolle spielt, ob es sich um eine Bordsteinkante, einen Gegenstand auf der Fahrbahn, einen Zaun oder einen Baum handelt – entscheidend sei der
Versicherung muss auch Folgeschäden übernehmen
Interessant an dem Fall ist zudem, dass die Vollkaskoversicherung nicht nur den Kühler, sondern auch den nachgelagerten Motorschaden übernehmen musste. Denn der Kühlerschaden war ursächlich für den Motorschaden – und somit als Folgeschaden eines Unfalls mitversichert.
Wichtige Lehren für Versicherte
- Betriebsschäden sind vom Versicherungsschutz zwar grundsätzlich ausgenommen, doch nicht jeder mechanische Defekt fällt darunter.
- Unfallbedingte Schäden – selbst wenn sie durch vergleichsweise banale Ursachen wie Bordsteinkanten ausgelöst werden – sind durch die Vollkasko abgedeckt.
- Folgeschäden, die sich aus einem versicherten Unfall ergeben, müssen ebenfalls erstattet werden.
- Im Streitfall lohnt es sich, rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen – und sich nicht vorschnell mit einer Ablehnung der Versicherung zufriedenzugeben.
Fazit
Das Urteil des OLG Koblenz ist ein wichtiges Signal für Versicherungsnehmer. Es zeigt, dass Versicherer nicht jeden Schaden pauschal als „betrieblich bedingt“ abtun dürfen. Wer in einen Unfall verwickelt ist, sollte genau prüfen (lassen), ob tatsächlich ein Leistungsausschluss vorliegt – oder ob ein Anspruch auf Regulierung besteht. Die Einstufung als „Unfall“ kann entscheidend sein, um hohe Folgekosten – etwa für einen Motorschaden – ersetzt zu bekommen.
